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Am Anfang steht der Magen...

Die Verdauung ist eins der großen Themen mit dem ich in der Praxis immer wieder konfrontiert werde. Im Gegensatz zu uns Menschen, bei denen die Verdauung durch Ptyalin im Speichel bereits im Mund beginnt, steht der Magen bei unseren Hunden an erster Stelle. Und wie immer in einer Kette von Ereignissen: wenn es Anfangs schon nicht passt, kann's hinten nur schlecht weiterlaufen. Daher ist der Magen ein Organ, das man im Sinne der Verdauung hegen und pflegen sollte und ich ihm deshalb heute einen kleinen Blog beitrag widmen möchte. Was passiert dort eigentlich, wie wird schulmedizinisch auf Probleme reagiert und was können wir unterstützend oder sogar vorbeugend tun.

Ihr ahnt es sicherlich schon, am Anfang steht ein kleiner Ausflug in die Physiologie des Magens. Er ist ein Hohlorgan und liegt direkt der Leber anliegend gleich mit unter dem Zwerchfell. Bei unseren Hunden kann er sich sehr stark ausdehen und dann sogar bis ins untere Abdomen tastbar sein. neben der Magenperistaltik, die die Nahrung durchmischt sind vor allem die verschiedenen Drüsen dort für die Verdauung interessant.

Die Belegzellen bilden HCl - die Magensäure und stellen sicher, dass der pH-Wert im Magen bei unseren Hunden <1 ist. Die Hauptzellen bilden Pepsinogen, die Vorstufe zu Pepsin (Enzym zur Eiweißverdauung). Diese Vorstufe ist wichtig, da sich die Zellen des Magens sonst selbst verdauen würden. Durch das saure Millieu wird Pepsinogen dann zu Pepsin, die Magensäure ist also unumgänglich für diesen Vorgang. Um sich vor der Säure und dem Pepsin zu schützen bildet der Magen in den Becherzellen Schleim (Bicarbonate). Diese legen sich um die Magenwand, puffern dort die Säure ab und schützen die Schleimhaut so vor der Selbstverdauung. An der Schleimhaut des Magens herrscht also ein leicht basisches bis neutrales Millieu. Wird diese Schutzschicht durchbrochen (Medikamente, Stress, zu viel Magensäurebildung etc.) entstehen Probleme. Sowohl Magensäure als auch Pepsin gelangen an die Schleimhaut und greifen sie an - eine Gastritis entsteht. Wichtig: bei schwerwiegenden Schäden der Magenschleimhaut können Narben entstehen. Wie im gesamten restlichen Körper auch kann Narbengewebe ihre eigentliche Aufgabe nur noch zum Teil oder gar nicht mehr erfüllen. Bei einer einfachen Magenschleimhautreizung oder Gastritis entstehen solche Defekte normalerweise nicht, unbehandelt und unbeachtet können sie sich aber zu einem Magenulkus, also jenem schwerwiegendem Defekt der Narben entstehen lässt entwickeln. Im schlimmsten Fall entsteht ein Magendurchbruch, aber so weit wollen wir es natürlich nicht kommen lassen. Was können wir also tun?

Ursachenforschung!

Physiologisch herrscht im Magen ein Gleichgewicht zwischen Säure- und Schleimproduktion, um den Magen zu schützen. Verschiedene Umstände können aber Einfluss auf dieses Gleichgewicht nehmen. Dazu zählen:

  • Fremdkörper
  • Medikamente (NSAID, Kortison)
  • Fütterung (Unverträglichkeiten, zu kaltes Futter, Schnee!, reizende Inhaltsstoffe wie verschiedene Nahrungsergänzungsmittel)
  • Infektionen (Helicobacter)
  • Stress (Sport, Haltung, Tierschutz, Arbeitshunde)

Natürlich können nicht alle Medikamente einfach abgesetzt werden, aber ich kann dann von Anfang an den Schutzmechanismus des Magens unterstützen. An der Fütterung dagegen kann ich sehr viel verändern, z.B. ein einfaches Fütterungsmanagement - Zimmer- bzw auch Körperwarm füttern, keinen Schnee fressen lassen, Futter und Nahrungsergänzung auf reizende Inhaltsstoffe überprüfen. Hier geht es v.a. auch um die ernährungsphysiologischen Zusatzstoffe. Auch auf saure Nahrungsmittel wie Obst (Orangen, Äpfel) oder Milchprodukte sollte bei einer Gastritis erstmal verzichtet werden. Da v.a. eine proteinreiche Fütterung die Magensäureproduktion so richtig ankurbelt, könnte auch für ein einige Tage auf eine vegetarische Kost umgestiegen werden.

Ob das Bakterium Helicobacter im Hundebereich nun physiologisch vorkommt oder wie beim Menschen große Probleme erzeugen kann ist bis jetzt (Stand 7.8.2024) noch ungeklärt, sei aber der Vollständigkeit halber hier aufgeführt. Ein umso wichtigeres Thema dafür - Stress. Hierzu zählt positiver und negativer Stress übrigens gleichermaßen. Diensthunde, Sporthunde, Tierschutzhunde etc. sollten also auch bereits vorausschauend unterstütz werden. Auch eine Kastration und die damit verbundene Hormonumstellung kann ein Stressfaktor sein. Hier kann es sich auch lohnen einmal in Richtung Verhaltensberatung bzw. Hundetrainer zu denken und den Alltag und Auslastung zu überprüfen.

Neben Ursachenforschung hat die Schulmedizin natürlich einiges in petto zur Behandlung von Gastritis - Antazida, Antihistaminika und v.a. Protonenpumpenhemmer (PPI). Der Grundgedanke ist: keine Säure - keine Schädigung!

Antazida wie Kaisernatron oder Calciumcarbonat sind eine schnelle und kurzfristige Lösung um Säure im Magen abzupuffern. Langfristig sollten sie nicht angewendet werden. Bei der chemischen Pufferreaktion entsteht Gas, was zur Aufgasung des Magens und damit zu einem höheren Magendrehungsrisiko führen kann. Kaisernatron kann aber auch zur Alkalisierung des Harns und damit Harnsteinen führen. Außerdem kommt es langfristig zur reaktiven Hyperacidität, also zu einer Überproduktion der Magensäure da dem Körper suggeriert wird, es wäre nicht genügend Magensäure vorhanden. Alternativ können Heilerde oder Kartoffelsaft versucht. Aber auch hier ist von einer Langzeitgabe abzuraten, da ebenfalls als Reaktion mehr Säure gebildet wird.

Antihistaminika (Ranitidin, Cimetidin etc.) hemmen die Magensäurebildung durch Rezeptorblockierung. Auch hier kann es nach längerer Anwendung zu einer reaktiven Hyperacidität kommen. Weiter gibt es einige Besonderheiten der Antihistaminika zu beachten (keine Zulassung in Deutschland, Leberstoffwechsel etc.) auf die ich hier nicht genauer eingehen möchte. Der Einsatz sollte grundsätzlich mit dem Tierarzt abgesprochen werden und nicht auf eigene Faust erfolgen.

Die am häufigsten eingesetzten Mittel in der Schulmedizin sind die PPI (z.B. Omeprazol, Pantoprazol). Sie blockieren die Protonenpumpe in den Belegzellen und damit erfolgt keine Magensäureproduktion mehr. Wichtig ist hier zu wissen, dass diese Medikamente über das Blut wirken. Sie müssen also zunächst im Darm ankommen, dort resorbiert und zu den Belegzellen transportiert werden. Das heißt hier muss speziell auf Einnahmeart und auch Zeitpunkt geachtete werden, um eine optimale Wirkung zu erzielen.

Die oben aufgeführten Mittel kurzfristig eingesetzt sind echte Helfer in der Behandlung einer Gastritis. Denn so kann sich die Schleimhaut schnell erholen und so ihre Schutzfunktion hoffentlich wieder wahrnehmen. Langfristig angewendet haben diese Medikamente allerdings einen schlechten Einfluss auf den gesamten Gastorintestinalen - Trakt der Hunde. Denn die Magensäure hat im Körper auch ihre Aufgaben.

Zum einen denaturiert die Magensäure Proteine und aktiviert Pepsinogen zu Pepsin. Die Eiweißverdauung ist im Magen also bereits in vollem Gange. Diese ist z.B. auch für die Aufnahme von Vitamin B12 essentiell, da dieses Vitamin in der Nahrung an Proteine gebunden ist. Werden sie nur unzureichend aufgespalten kann Vitamin B12 anschließend nicht an den intrinsic factor gebunden und aufgenommen werden. Unzureichend verdaute Proteine führen außerdem im Dickdarm zu Gärungsprozessen und zur verstärkten Bildung von Ammoniak. Ammoniak muss in der Leber verstoffwechselt und ausgeschieden werden. Unzureichend ausgeschiedenes Ammoniak kann die Blut-Hirn-Schranke überwinden und dort die Hirnfunktion beeinträchtigen. V.a. in Wechselwirkung mit Antihistaminika auf Grund der Beeinflussung des Leberstoffwechsels ist hier Vorsicht geboten.

Außerdem bietet die Magensäure Schutz vor passageren Keimen. Der extrem saure pH-Wert tötet die Erreger ab und so können sie im weiteren Darmverlauf keinen Schaden mehr anrichten. Eine unzureichende Erregerabtötung kann mit den Gärungsprozessen durch unaufgeschlossenes Protein auch zu einer Dysbiose im Darm führen. Langfristig ist also der Gedanke "keine Säure - keine Schädigung" leider nicht zielführend.

Wir brauchen also einen weiteren Ansatz: die Abwehrmechanismen des Magens stärken. Denn genau diese Abwehrmechanismen sind durch viele Einflussfaktoren geschwächt. NSAIDs senken nachweislich über die COX Systeme den Magenschutz, Stress nimmt hier einen entscheidenden Einfluss und etwaige Fremdkörper etc. sowieso. Unser Ziel sollte es also langfristig sein, die Schutzbarriere des Magens zu unterstützen. Hierzu hat die Schulmedizin Sucralfat in petto. Ein Humanarzeimittel, dass sich gezielt als Schutzschicht an Defekte der Magenschleimhaut legt und Reflux verhindern kann. Es inaktiviert Pepsin, fördert die Prostaglandinbildung und damit den Magenschutz. Vor dem Futter gegeben, kann es also einen zusätzlichen Schutz für den Magen bilden. Entscheidend für die schützende Wirkung ist jedoch ein saurer pH Wert im Magen, denn nur so wird die schützende Gelschicht gebildet. Wird es also in Kombination mit PPI eingesetzt muss die Einnahme zeitlich voneinander getrennt erfolgen bzw. können die PPI zu einer Wirkminderung führen.

Alternativen stellen hier die sogenannten Schleimdrogen dar - Ulmenrinde, isländisch Moos, Leinsamenschleim oder Natriumalginat aus Braunalgen. Sie haben einen Vorteil gegenüber Sucralfat: sie brauchen kein saures Millieu um ihre Wirkung entfalten zu können und legen sich damit auch schützend über dei Schleimhaut der Speiseröhre. Bei Sodbrennen oder Reflux kann es also dort zusätzlich Linderung verschaffen.

All die bisher genannten Stoffe, ob Schulmedizin, Phytotherapie etc. zielen allerdings nur auf die Behandlung der Symptome ab. Wie aber bereits erwähnt ist die Ursachenforschung der wichtigste Schritt um eine Gastritis (v.a. immer wiederkehrende Gastritiden) langfristig in de Griff zu bekommen. Hier möchte ich v.a. nochmals das Thema Stress aufgreifen, denn der Magen-Darm-Trakt ist das Stressorgan unserer Hunde. Das bedeutet, dass der Körper bei Stress hier als erstes spart und die Funktionen einschränkt. Hier bietet die Schulmedizin meines Wissens bisher wenig Ansatzpunkte und die Tierärzte (und das ist nicht böse gemeint) haben in ihrer täglichen Arbeit wahrscheinlich auch wenig Zeit darauf einzugehen. Daher ist es umso wichtiger, dass man sich als Besitzer darum Gedanken macht und sich eventuell auch Hilfe durch einen Hundetrainer, THP oder jemand anderen mit entsprechender Qualifikation sucht. Ziel sollte es sein Haltungsbedingungen anzupassen, Auslastung gegebenenfalls zu reduzieren/erhöhen oder allgemeine Missverständnisse im Hund-Mensch-Team zu beseitigen. Gerade chronische Magenpatienten können leichte Stressfaktoren leicht aus der Bahn werfen. Das erfahre ich mit meinem Dix immer wieder - eine Zugfahrt, ein kompletter Chaostag reichen manchmal schon aus.

Gerade hier bietet die Phyto- und Mykotherapie aber tolle Ansätze zur Unterstützung (Rosenwurz, Gingko, Johanniskraut, Hericium, Cordyceps etc.). Diese Zusätze sollten aber speziell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Hundes und etwaiger Vorerkrankungen abgestimmt sein. Denn auch Pflanzen und Pilze können falsch eingesetzt Schäden anrichten.

Ich bin gerade selbst erstaunt wie lange der Artikel geworden ist. Aber daran sieht man, wie weitreichend dieses Thema ist.