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Schmerzreise

Ausgangslage für die Schmerzreise durch den Tierkörper soll in diesem Beispiel eine Hüftdysplasie (HD) sein. Startpunkt könnte aber auch ein Knie- oder Rückenproblem sein. Durch die funktionelle Zusammenhänge im Körper führen Schmerzen und Blockaden immer zu Überlastungserscheinungen in anderen Geweben und damit zu einer Schmerzkette. Somit ist es nicht unwahrscheinlich, dass Tiere mit einer HD mit einer Vordergliedmaßenlahmheit vorgestellt werden. Wie kommt es dazu?

Bei einer HD liegt eine Inkongruenz der Hüftpfanne und des Oberschenkelkopfes vor. Folge ist eine Instabilität des Gelenkes, einer damit verbundenen Überlastung der umliegenden Strukturen (Muskulatur, Sehnen, Gelenkknorpel und -kapsel) und schließlich die Vermeidung bestimmter Bewegungen.

Um die Hüfte zu entlasten wird diese nach außen an der Muskulatur oder Gelenkkapsel "angelehnt" und die Abduktoren in Dauerkontraktion versetzt. Der nach außen geklappte Oberschenkelkopf führt durch die Hebelwirkung zwangsläufig zu einer Fehlbelastung des Kniegelenks. Der Außenminiskus wird mehr belastet und der Innenminiskus, genau wie die Innenbänder befinden sich in einer Dauerdehnung. Auch das Kreuzband muss dadurch vermehrt Haltearbeit leisten und degeneriert schneller. Somit ist der Schmerz auch im Kniegelenk angekommen.

Um das Kniegelenk zu entlasten wird versucht, das Knie in eine sogenannte Mittelstellung zu bringen, auch in der Bewegung. Dies entlastet zwar das Kniegelenk, versetzt aber die umliegende Muskulatur in Stress durch die Dauerarbeit. Es entstehen Muskelschmerzen, Muskelkontrakturen und Myogelosen.

Um die Fehlstellungen in der Hüfte und dem Knie weiter auszugleichen zeigen die Tiere oftmals eine "x-beinige" Stellung in der Hintergliedmaße. Das heißt das Sprunggelenk wird nach innen rotiert und die Pfoten nach außen. Dadurch werden auch hier die einzelnen Gelenkstrukturen unphysiologisch belastet und es entstehen weitere Schmerzen und Folgeerscheinungen.

Ist die HD nur einseitig ausgeprägt bzw. in unterschiedlicher Stärke, wird mit dem besseren Bein das andere kompensiert. Dies zeigt sich in einer vermehrten Gewichtsaufnahme der besseren Gliedmaße. Sie wird beim Laufen außerdem vermehrt unter den Körperschwerpunkt aufgesetzt und teils sind Schrittverkürzungen in der schlechteren Gliedmaße zu beobachten. Durch die Überlastung kommt es in der zunächst besseren Gliedmaßen jedoch schneller zu Folgeerscheinungen wir Arthrosen und somit kann eine wechselnde Lahmheit entstehen.

Die fehlende Bewegung aus dem Hüftgelenk wird meist mit einem "eleganten Hüftschwung" ausgeglichen. Leider ist daran nichts elegant, sondern ist dies lediglich eine Folge von Schmerzen im Hüftgelenk. Es folgen Verspannungen der Muskulatur und die Verblockung des Iliosakralgelenks, des Beckens und des Sacrums. Eine elastische Bewegung in der Beckenregion ist jedoch unabdingbar, um eine weiche Schubübertragung auf die Wirbelsäule zu gewährleisten. So erfahren die Bandscheiben bei jedem Schritt ein Mikrotrauma und degenerieren schneller. Die Muskulatur versucht nun auch hier diese Arbeit zu übernehmen und verspannt sich. Dies wiederum führt zu Wirbelblockaden und Subluxationen. Da die Wirbelsäule wie eine Perlenkette betrachtet werden kann, reagiert sie immer im Ganzen. Das bedeutet ist ein Wirbel subluxiert muss diese Fehlbewegung an anderer Stelle ausgeglichen werden. Gerade Subluxationen im Halsbereich und einer damit verbundenen Verschiebung der Augenachse führen zu enormen Verschiebungen in der Wirbelsäule.

Schmerzen in der Hintergliedmaße führen weiter zu einer Kompensation durch Gewichtsverschiebung auf die Vordergliedmaße. Überlastungserscheinungen sind die Folge. Die Vordergliedmaße ist nur muskulär am Rumpf befestigt. Somit haben Verspannungen der Rückenmuskulatur zwangsläufig Einfluss auf die Vordergliedmaße und deren Bewegungsausmaß. Durch muskuläre Zusammenhänge belasten sie zunächst das Ellenbogengelenk und dann das Schultergelenk nicht mehr physiologisch. Gelenkknorpel, Sehnen, Bänder und Muskulatur sind also größerem Verschleiß ausgesetzt und führen zu Schmerzen. Dadurch kommt es auch hier zu unphysiologischen Haltungen (z.B. Außenrotation der Pfoten) und damit zu weiteren Überlastungserscheinungen.

Spätestens wenn beide Vordergliedmaßen überlastet sind, zeigen die Tiere eine Lahmheit. Durch die funktionelle Kette aber eben nicht in der Hintergliedmaße, sondern in der Vordergliedmaße.

"Es schreit also das Opfer - nicht der Täter!"

Die Behandlung der Vordergliedmaße ist also nicht zielführend. Erst durch den Aufbruch dieser Schmerzkette und aktive Bewegungstherapie ist eine nachhaltige Schmerzfreiheit zu erreichen. Hier kann die Physiotherapie helfen die verspannten Muskeln zu detonisieren. Durch Chiropraktik können subluxierte Wirbel repositioniert und durch die aktive Bewegungstherapie unphysiologische Bewegungsmuster aufgebrochen werden. Am besten erfolgt dieses Training bereits bei den ersten Anzeichen einer Fehlstellung, da so Folgeerscheinungen verhindert werden können. Denn Fehlstellungen können korrigiert, strukturelle Folgeerscheinungen (Arthrose, Spondylosen etc.) jedoch nicht mehr beseitigt werden.

Mögliche Folgen einer HD sind also:

  • Arthrose in diversen Gelenken
  • Knorpelschäden
  • Überlastungen der Bänder, Sehnen und Gelenkkapseln und somit Bandschäden bzw. auch Spondylosen
  • Bandscheibenvorfall
  • Kreuzbandriss
  • Miniskusschäden

Diese Vorgänge laufen auch bei "klinisch unauffälligen" HD Patienten ab bzw. auch durch ein angewöhntes unphysiologisches Gangbild. Daher ist es sinnvoll auch bei Welpen und Junghunden bereits auf das Gangbild zu achten. Gerade hier führt Training in kurzer Zeit zum Erfolg und es können durch die aktive Bewegungstherapie spielerisch spätere Schäden vermieden werden. Ein wunderbarer Nebeneffekt ist die geistige Auslastung und der Bindungsaufbau zu eurem Tier und die Stärkung des Selbstbewusstseins. Und ja- auch viele Katzen können das :-)

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