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Was Faszien alles können

In der Schulmedizin stehen Faszien bisher wenig im Fokus. Für Ostheopathen und Physiotherapeuten sind sie aus den Behandlungen des Bewegungsapparates und auch anderen Beschwerden nicht wegzudenken. Denn der Einfluss den diese unscheinbaren Strukturen haben scheint enorm.

 

Faszien sind Bindegewebsstrukturen, die den gesamten Körper als zusammenhängende, feine Häute durchdringen, umspannen und festhalten. Sie können als zeltartiger Überwurf verstanden werden mit Gestänge (Wirbelsäule und dorsale Gliedmaßenstrukturen) und Verankerungen an den Gliedmaßenenden. Je mehr Zug oder Druck auf sie trifft, desto stabiler werden sie. Sie umhüllen die Muskulatur und sorgen für ein reibungsloses gleiten der Muskeln gegeneinander. Außerdem verbinden sie den gesamten Körper über Verschaltungen einzelner Faszien miteinander. Nur so können die unterschiedlichen, komplexen Bewegungen des Körpers ohne Probleme gewährleistet werden. Außerdem besitzen die Faszien selbst  kontraktile Strukturen. Über z.B. Stress kann es somit auch direkt zu einer An- oder Verspannung der Faszien kommen. Verspannungen auf Grund von akuten und v.a. chronischen Schmerzen, Stress, Narben und auch die Ernährung beeinflussen Faszien negativ und können so zu enormen körperlichen Einschränkungen führen. Es gibt noch weitere spannende Ansätze zu den Aufgaben der Faszien, auf die hier jedoch nicht näher eingegangen wird.

 

Verspannungen:

Treten in einem Körperareal Schmerzen auf reagiert das elastische Gewebe (Bänder, Sehnen, Muskulatur und auch Faszien) zwangsläufig mit Verspannung. Chronifiziert diese auf Grund anhaltender Schmerzen, chronischem Stress oder Überlastung, kann der Körper den Zustand irgendwann nicht mehr alleine aufheben. Durch die Verspannung der Faszien werden die darunterliegenden Muskeln eingeengt und in ihrer Funktion eingeschränkt. Eine weitere Verspannung der Muskulatur ist die Folge und ein Teufelskreis entsteht. Durch die chronische Verspannung kommt es in Folge zunächst zu einer Kontraktur und anschließend zur irreversiblen Fibrosierung der Faszien. Damit ist keine elastische Arbeit der Faszie mehr möglich und somit die Funktion der Faszie nachhaltig gestört.

 

Narben:

Sie entstehen nach Verletzungen der Haut und des Unterhautgewebes oder an inneren Strukturen. Durch Verklebungen in der Heilungsphase, Wundheilungsstörungen (prädispositioniert sind hier Patienten mit Stoffwechselerkrankungen), Belecken oder schlechter OP-Technik können sie zu Verklebungen der Faszien führen. Die Faszie scheint jedoch maßgeblich neben den Blut- und lymphatischen Gefäßen an der Regeneration der geschädigten Strukturen beteiligt und somit essentiell für die Heilung. Somit verdienen die Faszien auch post-OP abseits des Bewegungsapparates unsere Aufmerksamkeit. Je schlechter die Heilung, desto größer meist die Narbe, und desto höher das Risiko einer Funktionseinschränkung der Faszien. Aber auch eine komplikationsfreie Heilungsphase und kleinste Narben können zu erheblichen Folgeerscheinungen führen, da Narbengewebe nicht in der Lage ist elastische Arbeit zu leisten. Vor allem aber größere OP-Narben (Kreuzbandriss, Kastration, Fremdkörper-OP und alle anderen) sollten post-OP immer entsprechend versorgt und auf eine mögliche Störung hin untersucht werden. Das Risiko einer Narbenstörung ist hier deutlich größer.

 

Ernährung:

Die Faszien besitzen eine wasserbindende Grundsubstanz und sind ohne entsprechende Hydratisierung nicht arbeitsfähig. Durch Adhäsionskräfte des Wassers würde es aber ohne Fetteinlagerungen zu Verklebungen der einzelnen Faszienblättern kommen. Das heißt ein essentieller Bestandteil einer reibungslosen Faszienarbeit ist die gute Ernährung und das Trinkverhalten. Eine verstärkte Wasseraufnahme nach chirurgischen Eingriffen wirkt sich positiv auf den Heilungsprozess aus. Nicht nur durch u.a. Förderung des Abtransports von Schlackstoffen, sondern auch durch die Unterstützung der Faszien, die wie bereits beschrieben ebenfalls an der Regeneration der Strukturen beteiligt sind. Ähnlich wie bei Gelenkproblemen kann ein hochwertiges Futter deutlich zur Genesung beitragen. Durch ein hochwertiges, gut verwertbares Futter stehen dem Körper alle Nährstoffe zur Genesung in ausreichender Menge zur Verfügung. In diesem Zusammenhang ist auch das Thema Darmgesundheit zu nennen. IBD (chronisch-entzündliche Darmerkrankung), Leaky gut oder eine Darmdysbiose können die Nährstoffaufnahme erheblich senken. Faszienstörungen können aber auch bei kachektische Tieren (Tierschutz) fehlender Fetteinlagerungen auftreten.

 

Die Fasziengesundheit ist also ein maßgeblicher Faktor für die Funktionsfähigkeit des Körpers. Und diese kann durch Physiotherapie und Ernährung nachhaltig verbessert werden. Ruft man sich nun noch einmal das anfangs beschriebene Bild der Faszien als umspannendes, alles verbindendes Netzwerk im Körper in den Kopf wird klar, dass eine Störung nicht nur Auswirkungen am Störungsort haben kann. An Hand der beiden T-Shirts lässt sich das Ausmaß einer Narbenstörung bildlich darstellen. Im linken Bild eine "ungestörte" Narbe und rechts eine Verklebung an nur einer Stelle der Narbe. Rechts sind deutliche Falten zu erkennen. Auch an weit entfernten Stellen kommt es zu Veränderungen. Im Körper sind jedoch nicht nur zwei Faszien miteinander verbunden und somit kommt es an den verschiedensten Stellen veränderten Zug- und Stabilitätsänderungen. Durch die feste Verbindung zur Muskulatur außerdem zum Zug an der Muskulatur bzw. durch die Umhüllung zur Einschränkung/Einengung. Unphysiologische Bewegungen sind zwangsläufig die Folge, die wiederum zur Überlastung und damit Schmerzen an anderen Strukturen führen. Spondylosen, Arthrosen, Bewegungsunlust, Meideverhalten etc. sind mögliche Folgen. Die Auswirkungen müssen sich aber nicht nur auf den Bewegungsapparat beschränken, sie können das Zwerchfell (Atmung), Blase (Inkontinenz), Darm (Verdauung) und viele mehr betreffen. So ist bei der relativ bekannten Inkontinenz der Hündin nach Kastration eine Narbenstörung eine mögliche Ursache.

 

 

Die Faszien sind also bereits nur unter dem Aspekt des Bewegungsapparates betrachtet unglaublich interessant und einflussreich. Sie sind primär oder sekundär immer beteiligt und müssen mit behandelt werden. Alleine durch ihre Behandlung erreicht man bereits nach einer Sitzung eine deutliche Schmerzreduktion bzw. ein besseres Gangbild. Aber vor allem das Verhalten der Tiere ändert sich in wenigen Tagen und die Besitzer erzählen von agileren Tieren. Gerade für chronische Schmerzpatienten (Arthrose, Spondylose, Bandscheibenpatienten) kann so eine deutlich höhere Lebensqualität erreicht werden.