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Leinenführigkeit - nur Erziehungsache?

Während meiner Zeit in Inas Hundeschule war eines der häufigsten Probleme die Leinenführigkeit. Wenn ich so zurück denke, war es ein leidiges Thema, dass nicht nur Mühe, sondern auch Nerven kostete. Bei manchen Hunden wollt einfach kein Training so richtig anschlagen. Heute würde ich wahrscheinlich bei manch einem Hund nochmal genauer hinschauen, denn fehlende Leinenführigkeit hat nicht immer nur mit Erziehung zu tun.

Es geht wie immer einmal in die Physiologie unserer Vierbeiner ;-). Genauer in die funktionelle Anatomie der Gangarten Schritt und Trab. Fangen wir mit dem Schritt an:

Der Schritt ist die langsamste Gangart, wobei sich immer nur ein Bein in der Luft befindet. Durch den so genannten Dreibeinstütz liegt der Masseschwerpunkt immer im Unterstützungsdreieck. Das Unterstützungsdreieck ist die Fläche, die durch die am Boden befindlichen Pfoten geformt wird. Würde der Masseschwerpunkt außerhalb dieser Fläche liegen, fällt unser Hund um bzw. muss eine Ausgleichsbewegung machen. An Hand dieses Schwerpunktes können übrigens auch erste Anhaltspunkte darüber gewonnen werden, ob der Hund eine Seite bzw. die Hinter- oder Vordergliedmaße entlastet.

Der Pass ist durch einen Zweibeinstütz gekennzeichnet wobei immer die Gliedmaßen auf der gleichen Seite zusammen fußen. Der Schwerpunkt wandert also von links nach rechts, ein schwankendes Gangbild entsteht. Der Pass kann schnell oder langsam ausgeführt werden. Am Passgang scheiden sich die Geister, ob dieser physiologisch auftritt oder immer pathologisch einzuordnen ist. Klar ist jedoch, tritt der Passgang zum ersten Mal im fortgeschrittenen Alter auf, ist dieser ein Hinweis auf mögliche Bewegungseinschränkungen oder Schmerzen. Allgemein wird der Passgang gerne bei Wirbelsäulenproblematiken verwendet, da so die typische S-förmige Schwingung dieser vermieden werden kann. Auch das Schonen einer Körperhälfte ist möglich.

Der Trab ist immer über die diagonalen Gliedmaßen (hinten und vorne) gestützt, ist also ebenfalls ein Zweibeinstütz. Der Trab ist die kräfteschonendste Fortbewegungsart und der Hund kann so über weite Strecken ausdauernd laufen. Hintergrund ist der Energieerhaltungssatz. Hierfür sind vor allem die Sehnen der Gliedmaßen wichtig. Die Muskulatur sorgt zunächst für den entsprechenden Vorschub und während der Auffußens wird ein Großteil der Kraft durch Spannung der Sehnen gespeichert. Beim Abfußen kann diese Energie erneut in Bewegung nach vorne umgesetzt werden. Auch im schnelleren Passgang kommen diese Funktionen zum tragen. Somit wird auch klar, wie wichtig ein intaktes Weichteilgewebe und die damit verbundene "federnde" Wirkung zu verstehen ist. Durch die Flugphasen und das schnellere Tempo können außerdem leichter Gelenke geschont, nicht voll durchbewegt oder kürzer aufgefußt werden.

 

Und mit diesem Wissen gehen wir nochmals auf unsere Ausgangfrage zurück. Ist die fehlende Leinenführigkeit immer nur Erziehungssache?

Ich denke nicht. Die meisten Hunde müssen in der Leinenführigkeit im Schritt laufen. Das bedeutet, jeder Schritt muss durch die Muskulatur "angetrieben" werden. Dies erfolgt normalerweise durch die Hintergliedmaße und wird über das Iliosakralgelenk auf das Sakrum und die Wirbelsäule übertragen. Ein Problem in diesem Bereich ist also bereits ein erster Schmerzaspekt, der in der Fortbewegung Probleme bereiten kann. Im Trab ist der Vorschub relativ konstant und nicht so punktuell wie im Schritt. Auch die Gelenke müssen im Schritt vermehrt durchbewegt werden. Durch die muskuläre Arbeit herrscht zusätzlich zum Gewicht des Hundes eine weitere Kraft auf die Gelenke und belastet diese. Somit ist der Schritt zwar ein Dreibeinstütz, die Kräfte auf die einzelnen Gelenke in der Fortbewegung sind allerdings trotzdem gegeben. Durch den Schwung im Trab können diese Kräfte in schmerzenden Gelenken wiederum auf ein Minimum beschränkt werden. Für latent schmerzhafte Gelenke/Strukturen ist der Trab also manchmal die schonendere Gangart und damit für den Hund weniger schmerzhaft. Gerade in den ersten Lebensjahren (ca. <4-5 Jahre je nach Rasse/Größe) können die Hunde latente Probleme so sehr gut verstecken.

Wird euer Hund also einfach nicht leinenführig, kann auch ein orthopädisches Problem dahinter stecken. Egal ob physiologisch oder erzieherisch - ich unterstütze euch gerne beim finden und lösen dieses Problems.