Kaum ein Thema wird so leidenschaftlich diskutiert wie die „richtige“ Ernährung für Hunde. Und selten ist ein Bereich so stark von Ideologien, Meinungen und Glaubenssätzen geprägt. Doch gerade hier sollten wir unsere persönlichen Vorlieben einmal beiseitelassen und uns der Sache offen und unvoreingenommen widmen – besonders dann, wenn bereits eine chronische Erkrankung vorliegt.
Am besten wäre es natürlich, wenn es gar nicht erst so weit kommt. Wenn der Hund von Anfang an einen gesunden, stabilen Magen-Darm-Trakt entwickeln darf. Und genau dafür wird der Grundstein bereits bei der Einführung fester Nahrung gelegt – hier sind besonders die Züchter gefragt.
Wer selbst Kinder hat, kennt das Spiel: Für die Beikost-Einführung beim Säugling gibt es relativ genaue Empfehlungen auf Grund wissenschaftlicher Grundlagen. Erst ein Gemüse, mehrere Tage lang. Dann kommt nach und nach Neues hinzu. Und das hat seinen Grund – denn der Darm ist die größte Kontaktfläche zur Außenwelt, beim Menschen genauso wie beim Hund. Etwa 80 % unseres Immunsystems entstehen genau hier. Und damit auch: Toleranzen.
Also die wertvolle Information für das Immunsystem: „Keine Panik – das ist ungefährlich, darauf musst du nicht reagieren.“
Fehlt diese Information, wird bei jedem Kontakt eine Immunantwort ausgelöst. Unverträglichkeiten und Allergien entstehen. Es ist also sinnvoll – gerade in der frühen Lebensphase – langsam und bedacht vorzugehen. Der junge Organismus muss lernen, Dinge einzuordnen.

Ein Blick auf die Zutatenliste einer handelsüblichen Packung Trockenfutter genügt: unzählige Komponenten. Man kann sich gut vorstellen, wie sich der Darm eines Welpen fühlt – wie ein Sechsjähriger in der Kollegstufe. Nassfutter enthält je nach Hersteller meist weniger Zutaten, doch auch hier kann die Zusammensetzung überfordernd wirken. Das Gleiche gilt selbstverständlich auch für selbst zusammen gestellte Rationen - "weniger ist eben gerade anfangs mehr"!
Studien deuten außerdem darauf hin, dass der vermehrte Einsatz von hochverarbeiteten Futtermitteln mit einem erhöhten Risiko für chronische Magen-Darm-Erkrankungen bei Hunden einhergeht. Hunde, die in ihren frühen Lebensphasen mit nicht verarbeiteten, fleischbasierten Futtermitteln gefüttert wurden, zeigten ein geringeres Risiko, später an IBD zu erkranken.
Kurz gesagt: Der frühe Konsum stark verarbeiteter, kohlenhydratreicher Futtermittel scheint mit einem erhöhten Risiko für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen verbunden zu sein.
Natürlich gibt es Hunde, die ihr Leben lang alles vertragen, nie Probleme zeigen und steinalt werden. Wahrscheinlich ist das sogar die Mehrheit – sonst hätten sich Fertigfuttermittel niemals so stark etabliert. Doch meine Aufgabe ist es, Wege zu finden, Hunden mit empfindlicher Verdauung zu helfen. Und dafür muss man irgendwo anfangen.
Im Vergleich zeigt sich: Trockenfutter „belastet“ den Organismus mehr als Nassfutter – im Hinblick auf den Verdauungsaufwand, metabolischen Stress und die Beanspruchung von Organen wie Leber, Bauchspeicheldrüse und Niere. Der oft hohe Stärkegehalt fordert die Bauchspeicheldrüse stark (für Enzym- und Insulinproduktion), und der niedrige Wassergehalt kann Nieren und Verdauung zusätzlich belasten – da Flüssigkeit aus dem Körper gezogen werden muss.

Ein weiterer Punkt sind die sogenannten Maillard-Reaktionsprodukte (MRPs) – sie entstehen bei der Reaktion von Zucker und Aminosäuren, insbesondere beim Erhitzen. Sie geben Brotkrusten und Kaffee ihren typischen Geschmack, können aber auch gesundheitlich bedenkliche Stoffe wie Acrylamid sein. Dieses fördert Entzündungen, schwächt die Darmbarriere und erhöht den oxidativen Stress. MRPs entstehen besonders in stark erhitztem Tierfutter – also vor allem in extrudiertem Trockenfutter.
Folgen können sein: verringerte Proteinverfügbarkeit, allergische Reaktionen, Reizungen des Darms sowie eine stärkere Belastung von Leber und Niere. Auch in Nassfutter entstehen MRPs – vor allem bei hoher Protein- und Zuckerlast oder mehrfacher Erhitzung. Doch durch das Herstellungsverfahren enthält Trockenfutter deutlich mehr und andere Arten von MRPs. Sie fördern weiterhin das Wachstum proinflammatorischer Bakterien wie Clostridien und mindern die Produktion kurzkettiger Fettsäuren (SCFA), die essenziell für eine gesunde Darmbarriere sind.
Vielleicht fragt ihr euch gerade: Wie sind wir jetzt eigentlich bei MRPs gelandet, wenn es doch um die orale Toleranz ging? Ganz einfach:
Stellt euch den Organismus eures Hundes wie einen Aktenschrank vor. Darin sammelt sich alles, was der Körper nicht richtig verarbeiten kann. Die ersten „Akten“ wandern also schon während der Toleranzbildungsphase hinein. Und dann kommt Schublade für Schublade dazu: Leberbelastung, Nierenstress, MRPs, Entzündungen, oxidativer Stress… bis das ganze System überläuft.
„Mein Hund hat plötzlich sein Futter nicht mehr vertragen!“
Wirklich plötzlich? Oder haben wir einfach nicht gemerkt, dass der Aktenschrank schon länger an seine Grenze kam?
Was also tun, wenn der Hund scheinbar nichts mehr verträgt?
Ganz ehrlich: Eine einfache Lösung gibt es nicht. Aber hier ist mein Weg:
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Verträglichkeit geht vor Perfektion
Finde ein Futter, das dein Hund gut verträgt – ich starte diese Suche mit Nassfutter oder selbst gekochtem. Das ist keine Ideologie, sondern basiert eben auf den oben genannten wissenschaftlichen Grundlagen. Perfekt muss es anfangs nicht sein. Denn: Wie soll ein entzündeter, geschädigter Darm den Organismus optimal versorgen? Jeder unnötige Zusatz bzw. auch Zutat kann zu viel sein. -
Zeit heilt den Darm – aber nur mit Geduld
Niemand erwartet, dass eine Wunde über Nacht heilt. Warum also beim Darm? Die Regeneration braucht Zeit. Solange der Darm „undicht“ ist, können unverdaute Bestandteile eindringen und wieder Reaktionen auslösen. Wir können den Körper aber mit verträglicher Nahrung, Zusätzen, Pflanzen, Pilzen oder Homöopathie unterstützen – je nachdem, was funktioniert. -
Dann kommt die Optimierung
Ist der Darm stabilisiert und heilt, kann man an eine bedarfsgerechte Fütterung denken. Auch vormals unverträgliche Futtermittel sind jetzt vielleicht wieder möglich. -
Beobachten und Anpassen
Wenn der Aktenschrank früh gefüllt wurde, kann er immer mal wieder überlaufen. Also gilt: aufmerksam bleiben, Veränderungen wahrnehmen, frühzeitig reagieren. Und: Versucht, die Schubladen eurer Hunde nicht mit unnötigem Ballast zu füllen – Stress ist hier übrigens ein ganz großes Thema (aber dazu ein andermal).
Fazit:
Je früher wir anfangen, auf den Darm unserer Hunde zu achten, desto besser können wir chronischen Erkrankungen vorbeugen. Und wenn dann doch schon Probleme vorliegen gilt: Ideologie hin oder her
- was vertragen wird, kommt in den Napf!
Quellen zum Thema (Linkangaben Stand 20.04.2025):
Hemida M.,et al. (2021). "Early Life Modifiable Exposures and Their Association
With Owner Reported Inflammatory Bowel Disease Symptoms in Adult Dogs." Frontiers in Veterinary Science, 8, 552350.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33598486/
Vuori KA., et al. (2023). "The effect of puppyhoiod and adolescent diet on the incidence of chronic enteropathy in dogs later in life." Journal of Veterinary Internal Medicine
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33598486/
Nair S., et al. (2014). "Effect of cooked meat meal on serum creatinine and estimated glomerular filtration rate in diabetes.related kidney diesease." National Library of Medicine
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24062331/
Friedman, M. (1996). "Food browning and its prevention: An overview."
Journal of Agricultural and Food Chemistry.
https://pubs.acs.org/doi/10.1021/jf950394r
Liardon, R., et al. (2012). "The Maillard Reaction in pet food: nutritional and
health consequences." Animal Feed Science and Technology.
Van Rooijen, C., et al. (2014). "The Maillard reaction and pet food
processing: Effects on nutritive value and pet health." Nutrition Research Reviews