
Bei Hunden mit chronischer Enteropathie (CE) ist eine Mangelernährung ziemlich wahrscheinlich. Nicht, weil das Futter nicht bedarfsdeckend wäre, sondern weil entzündliche Prozesse, eine gestörte Darmbarriere und eine reduzierte Enzymaktivität die Nährstoffaufnahme erheblich beeinträchtigen. Studien zeigen, dass bei vielen betroffenen Hunden eine Malabsorption vorliegt. Dies bedeutet, dass trotz bedarfsdeckender Ernährung die Nährstoffe nicht vollständig aufgenommen werden können. In der akuten Phase der Erkrankung sollte der Fokus also primär auf Verträglichkeit und Darmentlastung liegen, bevor eine gezielte Nährstoffoptimierung erfolgen kann.
Entzündung, Schädigung der Darmschleimhaut und Mikrovilli:
Bei chronischer Enteropathie führt die Entzündung der Darmschleimhaut zu einer Schädigung der Enterozyten, die die Darmwand auskleiden.
Gleichzeitig werden auch die Mikrovilli auf den Enterozyten beeinträchtigt, die normalerweise die Oberfläche des Darms vergrößern und somit die
Nährstoffaufnahme optimieren. Diese Schädigungen verringern die Fähigkeit des Darms, Nährstoffe effektiv aufzunehmen, da die Oberfläche für die Absorption reduziert wird.
Beeinträchtigte Enzymproduktion und -aktivität:
Die Produktion und Aktivität von Verdauungsenzymen, die für den Abbau der Nährstoffe notwendig sind, wird durch die Entzündung ebenfalls gestört. Diese Enzyme werden nicht nur von der
Bauchspeicheldrüse produziert, sondern teils auch direkt in den Enterozyten des Darms selbst.
Infolgedessen werden Nahrungsmoleküle nicht vollständig aufgespalten, was zu einer unvollständigen Verdauung führt.
Darmflora (Mikrobiom): Der Zustand des Mikrobioms im Darm ist ebenfalls entscheidend. Bei chronischen Darmerkrankungen kann das Mikrobiom gestört werden, was zu einer Dysbiose führt – einer Fehlbesiedlung mit pathogenen oder opportunistischen Bakterien. Diese Bakterien können die Darmschleimhaut weiter schädigen und Entzündungen verstärken, was die Malabsorption verschärft. Eine gesunde Mikrobiota unterstützt nicht nur die Verdauung, sondern schützt auch die Darmoberfläche.
Veränderte Darmbarriere und Permeabilität: Eine weitere Folge der chronischen Entzündung ist die Erhöhung der Darmpermeabilität, die oft als „Leaky-Gut-Syndrom“ bezeichnet wird. Durch die Schädigung der Tight Junctions (die Verbindungen zwischen den Enterozyten) können zusätzlich schädliche Substanzen, wie Bakterien oder Toxine, in den Blutkreislauf gelangen. Aber auch (noch) zu große Nahrungsbestandteile können so zu Entzündungsreaktionen im Körper führen, obwohl die Nährstoffquelle eigentlich vertragen würde.
Zusammengefasst:
In der akuten Phase einer chronischen Enteropathie (CE) sollte die bedarfsgerechte Versorgung mit Nährstoffen zunächst nicht im Vordergrund stehen. Viel entscheidender ist die Frage:
Welche Nahrungsbestandteile kann der Hund aktuell überhaupt verwerten – und was wird gut vertragen?
Denn bei einer geschädigten Darmschleimhaut ist der Körper oft nicht in der Lage, Nahrung richtig zu verarbeiten. Im Gegenteil - Entzündungen, eine gestörte Barrierefunktion des Darms („Leaky Gut“) und verminderte Enzymaktivität führen dazu, dass unvollständig aufgespaltene Nahrungsbestandteile die Darmschleimhaut passieren können. Diese „zu großen“ Moleküle erkennt das Immunsystem als potenziell schädlich – und reagiert entsprechend. So können selbst eigentlich harmlose Bestandteile zum Auslöser von Unverträglichkeiten oder Entzündungsreaktionen werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Proteine, Fette, Kohlenhydrate oder ernährungsphysiologische Zusätze handelt – grundsätzlich kann jeder Bestandteil der Nahrung zur Belastung werden, wenn der Darm geschädigt ist.
Ebenso wichtig ist ein realistischer Zeithorizont: Die Regeneration des Darms benötigt Geduld. Im Humanbereich beispielsweise wird bei Zöliakie frühestens nach sechs Monaten eine Kontrollbiopsie empfohlen, um zu prüfen, ob sich die Darmzotten regeneriert haben. Dieses Wissen sollte man auch bei Hunden im Hinterkopf behalten: Der Darm braucht Zeit zur Heilung – und diese Zeit sollte ihm gegeben werden.
Auch Rückschläge oder Veränderungen im Verlauf gehören zum Genesungsprozess dazu. Es kann Phasen geben, in denen plötzlich Bestandteile nicht mehr vertragen werden – oder umgekehrt: Futter, das zuvor zu Problemen geführt hat, wird nach einiger Zeit wieder akzeptiert. Dieser Prozess sollte stets eng begleitet und individuell angepasst werden, um frühzeitig auf Veränderungen reagieren zu können und den Hund bestmöglich zu unterstützen.
Erkennst du deinen Hund hier wieder und wünscht dir eine Begleitung? Dann sprich mich gerne unverbindlich an oder komm einfach in meiner Praxis vorbei.
Einige Quellen zum Thema (Linkangaben Stand 23.04.2025):
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https://www.frontiersin.org/journals/veterinary-science/articles/10.3389/fvets.2022.923013/full
Dandrieux, J. R. (2016). Inflammatory bowel dosease versus chronic enteropathy in dogs: are they one and the same? The Journal of Small Animal Practice
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27747868/
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