„Hilfe, mein Hund frisst nicht!“
Ein Satz, der vielen Hundehaltern nur allzu bekannt vorkommt – oft begleitet von Sorge, Ratlosigkeit und dem stillen Gefühl: Irgendetwas stimmt hier
nicht. Wenn dein Hund plötzlich das Futter verweigert, an Gewicht verliert, dauerhaft Durchfall hat oder sich einfach „nicht mehr wohl in seinem Fell“ fühlt, steckt oft mehr dahinter als
bloß eine Phase der Mäkeligkeit.
Hinter diesen scheinbar harmlosen Symptomen kann ein kleines, aber entscheidendes Organ still Alarm schlagen: die Bauchspeicheldrüse.
Denn sie erfüllt zwei lebenswichtige Aufgaben:
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Exokrine Funktion: Produktion von Verdauungsenzymen für Fett, Eiweiß und Kohlenhydrate. Ohne diese Enzyme kann der Körper die Nahrung nicht verwerten.
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Endokrine Funktion: Bildung von Hormonen wie Insulin, das den Blutzuckerspiegel reguliert.
Erkrankungen wie Pankreatitis (Entzündung) oder exokrine Pankreasinsuffizienz (EPI) bringen dieses fein abgestimmte System aus dem Gleichgewicht – oft mit schwerwiegenden Folgen für die Gesundheit des Hundes.
Eine Pankreatitis ist eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Sie kann akut (plötzlich) oder chronisch (wiederkehrend, schleichend) verlaufen. Dabei werden die Verdauungsenzyme im Organ selbst aktiviert und „verdauen“ das Gewebe – eine höchst schmerzhafte und potenziell gefährliche Reaktion.
Ursachen können sein:
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Fettreiches Futter (z. B. Speisereste, fettige Snacks, Käse, Wurst)
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Plötzlicher Futterwechsel
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Bestimmte Medikamente (z. B. Kortikosteroide oder bestimmte Antibiotika)
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Hormonelle Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Cushing-Syndrom oder Hypothyreose
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Vererbung / genetische Disposition
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In manchen Fällen bleibt die Ursache unklar (idiopathisch)
Eine Pankreatitis kann lebensbedrohlich sein. Das Organ verdaut sich selbst und es kann durch die austretenden Enzyme zu einer systemischen Entzündungreaktion mit Multiorganversagen kommen. Sie gehört daher immer in tiertärztliche Behandlung.
EPI (exokrine Pankreasinsuffizienz) bedeutet, dass die Bauchspeicheldrüse zu wenige oder gar keine Verdauungsenzyme mehr produziert. Interessant ist, dass klinische Symptome erst auftreten, wenn bereits 85% des aktiven Gewebes der Bauchspeicheldrüse nicht mehr funktionieren. Die Nahrung kann durch die fehlenden Enzyme nicht mehr richtig aufgespalten werden – der Hund nimmt also kaum Nährstoffe auf, obwohl er frisst. Im schlimmsten Fall verhungert er innerlich trotz vollem Napf.
Häufige Ursachen für eine EPI können sein:
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Degeneration des Pankreasgewebes (idiopathische Atrophie)
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Chronische Entzündungen (z. B. wiederkehrende Pankreatitis)
EPI entwickelt sich meist schleichend. Erste Symptome zeigen sich oft erst, wenn mehr als 90 % des exokrinen Gewebes zerstört sind.
Wie erkenne ich eine Pankreatitis:
- Erbrechen, Appetitlosigkeit
- Abgeschlagenheit, Rückzug
- Schmerzäußerungen im Bauch (z. B. „Gebetsstellung“)
- Fieber oder Untertemperatur
- Dehydration
Wie erkenne ich eine EPI:
- Gewichtsverlust trotz Heißhunger
- Häufiger, übelriechender, fettiger oder heller Kot
- Blähungen, Bauchgrummeln, Durchfall
- Kotfressen (Koprophagie)
- Stumpfes Fell, Leistungsschwäche
- Mangel an Vitamin B12
Was jetzt zählt ist die richtige Ernährung für meinen Hund:
Die Ernährung ist bei beiden Erkrankungen das Herzstück der Therapie – neben Medikamenten und Enzymzugaben. Hier die wichtigsten Prinzipien:
1. leicht verdaulich und fettarm
Das Futter sollte möglichst fettarm sein, da Fett die Pankreasaktivität maßgeblich anregt. Bei einer Pankreatitis ist das also absolut kontraproduktiv und im Falle einer EPI kann die Bauchspeicheldrüse die Menge an benötigten Enzymen nicht liefern. Außerdem ist es sinnvoll, ein hochverdauliches Futter zu wählen - also hochwertige Fleischarten, leicht verdauliche Kohlehydrate und eine entsprechende Menge Ballaststoffe. Grundsätzlich gilt, BARF (also rohes Fleisch) verlangt mehr Verdauungsarbeit und damit Enzymleistung als gekochtes Futter. Ob BARFEN also im Falle einer Pankreatitis oder EPI vertragen wird, muss individuell betrachtet werden.
2. Enzymersatz bei EPI
Hunden mit EPI fehlt es an eigenen Verdauungsenzymen – deshalb erhalten sie meist ein Enzympräparat zu jeder Mahlzeit. Nur so ist eine ausreichende Nährstoffaufnahme überhaupt möglich.
3.Substitution von Vitamin B12
Ein Vitamin-B12-Mangel (Cobalaminmangel) ist bei EPI sehr häufig. Der sogenannte Intrinsic factor wird beim Hund v.a. durch die Pankreas gebildet wird und ist essentiell für die Aufnahme von Vitamin B12. Bei einer EPI wird er nicht oder nur unzureichend gebildet und daher kann das Vitamin schlecht oder gar nicht aufgenommen werden. Eine Supplementation ist also anzuraten. Diese kann oral erfolgen oder, wenn das nicht ausreicht, per Injektion.
4. Mehrere kleine Mahlzeiten
Statt 1–2 große Portionen sollten von einer EPI betroffene Hunde 3–5 kleine, gleichmäßig verteilte Mahlzeiten erhalten. Das schont die Verdauung.
Bei einer Pankreatitis kann im Akutfall auch eine kurzzeitige Nahrungskarenz in Absprache mit dem Tierarzt sinnvoll sein. So kann sich die Bauchspeicheldrüse erholen. Anschließend sollte auch hier mit kleinen Mahlzeiten gestartet werden. Es sollte aber bedacht werden, dass jede Mahlzeit eine Produktion von Verdauungsenzymen anregt. Ein Mittelweg für das jeweilige Individuum ist also oft sinnvoll.
5. Jeder Hund reagiert individuell!
Je nachdem welcher Teil der Bauchspeicheldrüse, welche Funktion genau und welche Enzyme (Lipasen, Proteasen etc.) eingeschränkt sind kann die Reaktion auf verschiedenste Futtersorten, -arten und deren Zusammensetzung unterschiedlich ausfallen. Hier ist manchmal auch ein wenig "Ausprobieren" nötig, um am Ende das perfekte Futter zu finden.
Fazit:
Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse wie EPI oder Pankreatitis sind ernst – manchmal sogar lebensbedrohlich. Aber sie sind auch kein Urteil ohne Hoffnung. Mit der richtigen Diagnose, einer angepassten, fettarmen Ernährung, Enzymersatz und gegebenenfalls Vitamin-B12-Gabe kann auch dein Hund wieder Lebensfreude, Kraft und Gesundheit zurückgewinnen.
Bitte nimm erste Anzeichen ernst:
„Der ist halt mäkelig.“
„Die frisst schon immer schlecht.“
„Das hat er halt manchmal, das ist normal.“
Solche Sätze höre ich oft – und leider kosten sie Zeit. Zeit, in der sich die Erkrankung verschlimmern kann. Was wie bloßes „Bauchgrummeln“ oder Futterlaune aussieht, kann in Wahrheit ein Hilfeschrei des Körpers sein.
Deshalb gilt: Lieber einmal zu früh zum Tierarzt als zu spät. Gerade wenn dein Hund längerfristig Verdauungsprobleme, Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit oder seltsame Kotveränderungen zeigt.
Einige Quellen zum Thema:
Westermarck, E. & Wiberg, M. E. (2006). Effects of diet on clinical signs of exocrine pancreatic insufficiency in
dogs. Journal of the American Veterinary Medical Association
DOI: 10.2460/javma.228.2.225
Cridge, H., Parker, V. J. & Kathrani, A. (2024). Nutritional management of pancreatitis and concurrent disease in dogs and
cats. Journal of the American Veterinary Medical Association
DOI: 10.2460/javma.23.11.0641
Cridge H., et al. (2023). Exocrine pancreatic insufficiency in dogs and cats. J Am Vet Med Assoc.
DOI: 10.2460/javma.23.09.0505. PMID: 37944252.